Give peace a chance

Die internationale Staatenordnung befindet sich im Umbruch. Die USA kehren dem Multilateralismus den Rücken. Russland verletzt die territoriale Integrität angrenzender Staaten. China gewinnt weltweit an Einfluss. Im Nahen und Mittleren Osten haben sich die Hoffnungen des Arabischen Frühlings auf Demokratisierung nicht erfüllt. In Zeiten von global zunehmender Unsicherheit hat sich die Debatte um die europäische Sicherheitspolitik zu einem echten Zukunftsthema entwickelt. 

In den letzten Jahren hat EU-Kommissionspräsident Juncker immer wieder von der Schaffung einer europäischen Armee geträumt, die EU-Territorium und Bürger direkt schützen soll. Kurzfristig ist eine solche Armee allerdings weder wünschenswert noch umsetzbar. Wir brauchen keine NATO II am Place Schuman! 

Die im Vertrag über die Europäische Union definierten Aufgaben (Abrüstung, humanitäre Unterstützung, Konfliktprävention, Krisenbewältigung, Stabilisierung der Lage nach Konflikten) sind anspruchsvoll genug und die EU ist weit davon entfernt, diesem selbst formulierten Anspruch gerecht zu wurden. Deshalb brauchen wir eine gemeinsame Sicherheitsdoktrin, die beschreibt, wie wir diese Aufgaben umsetzen wollen: wo wollen wir intervenieren können, wann, in welchem Umfang - bei welcher Konfliktintensität? 

Im Rahmen der Verhandlungen über den künftigen EU-Haushalt schlägt die EU-Kommission eine massive Militarisierung des Budgets vor, damit dieser bis 2027 als Hilfsmittel zur Erhöhung der Rüstungsausgaben und Annäherung an das 2%-Ziel der NATO dient. Gleichzeitig will die EU-Kommission die europäischen Instrumente für zivile Konfliktprävention und andere zivile Sicherheitspolitiken abwickeln. So soll das Instrument für Stabilität und Frieden (ISP) - ein fokaler Punkt all dieser Politik - ab 2021 aufhören zu existieren. 

Wir stellen fest, dass die Kriege und Krisen um uns herum nicht dermaßen ausgeufert sind, weil Europa nicht genügend militärische Mitteln hat, sondern vielmehr, weil es an klugen politischen Konzepten, an ausgereiften Präventionsmaßnahmen, an Mediation- und Versöhnungsinitiativen fehlt. 

Angesichts der kollektiven Wehrausgaben der EU-Mitgliedstaaten in Höhe von rund 300 Milliarden Euro jährlich brauchen wir keine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben. Die EU-Kommission stellt selbst fest, dass im Rüstungssektor systemimmanente Probleme bestehen, welche zu einer Verschwendung in Höhe von 25-100 Milliarden Euro jährlich führen. 

Statt mehr Geld brauchen wir eine völlig andere Herangehensweise. Wir brauchen starke Binnenmarktregeln, die Geldverschwendung, Korruption und unnötigen Doppelungen bei den Verteidigungsausgaben den Kampf ansagen. Hierfür braucht es eine starke EU-Kommission als Regelsetzerin und Regelüberwacherin, nicht als Verteilerin von Subventionen. Und es braucht ein Europäisches Parlament, das in diesen Fragen mitentscheiden kann. 

Für uns kann es keine echte europäische Sicherheitspolitik ohne eine Europäisierung der Waffenexportkontrolle geben. Mitgliedstaaten wie Frankreich und Deutschland verkaufen ungeniert und rücksichtlos Kriegswaffen an autoritäre und kriegstreibende Regime. Die EU muss in der Lage sein, zu kontrollieren, ob und wie Militärtechnologie exportiert wird. Es muss hier auch Sanktionen geben, wenn Staaten sich nicht an die EU-Kriterien halten.

Wenn wir wollen, dass die EU bei der Reduzierung von Instabilität, der Bekämpfung von massiven Menschenrechtsverletzungen und der Lösung von Krisen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft und darüber hinaus eine Rolle spielt, dann brauchen wir eine neue Vision für die Europäische Sicherheitspolitik.

Meris Sehovic